Juden und Muslime in Luzern – eine Spurensuche durch die Stadtregion Luzern
Begegnungen in der Synagoge, in ‚Moscheen’ und auf dem Friedhof.
Neue Luzerner Zeitung, 10.11.2005
Eigenes Gräberfeld für Muslime
Die Muslime erhalten ein eigenes Gräberfeld im Friedental. An den Kosten sollen sich auch umliegende Gemeinden beteiligen von Pirmin Bossart
«Wir haben jetzt eine vernünftige und gute Lösung gefunden, wie wir dem Anliegen der islamischen Glaubensgemeinschaft auf eine würdige Bestattung Rechnung tragen können», bestätigte gestern auf Anfrage Baudirektor Kurt Bieder. Nachdem der Stadtrat das Konzept nun genehmigt hat, möchte die Stadt in einem zweiten Schritt daran gehen, auch die Agglomerationsgemeinden für eine regionale Lösung zu gewinnen. Bieder: «Wir möchten mit ihnen Verhandlungen führen und gemeinsam einen Gemeindevertrag ausarbeiten.»
200 000 Franken
Im Kanton Luzern leben über 13 000 Angehörige des islamischen Glaubens, davon gegen 7000 in der Stadt und Agglomeration Luzern. Ein erster Vorschlag für die Errichtung von knapp 400 Grabstellen für Glaubensangehörige des Islam im Friedental Luzern wurde im Frühjahr 2004 ausgearbeitet. Das Anliegen war von der Vereinigung der islamischen Organisationen des Kantons Luzern (Viokl) eingebracht worden. Der Stadtrat war damals grundsätzlich einverstanden, hatte aber Bedenken wegen der hohen Anlagekosten (600 000 Franken). Nun liegt ein neues Projekt vor, das einen zentraleren Standort vorsieht, wo die Einrichtungskosten mit 200 000 Franken beträchtlich niedriger sind. Neu sollen die muslimischen Gräber im Kernbereich des alten Friedhofs angelegt werden, zwischen dem alten jüdischen Friedhof und den übrigen christlichen Gräbern. Die einmaligen Investitionskosten für das Gräberfeld sollen nach einem «gerechten Finanzierungsschlüssel» (Stadtrat) unter den interessierten Gemeinden aufgeteilt werden.
Dreifache Belegung
Auch bei der neuen Lösung können laut Stadtgärtner Thomas Schmid die Leichname gegen Mekka ausgerichtet werden, wie das im Islam verlangt wird. Um den bestehenden Platz optimal auszunützen und die notwendige Grabesruhe zu gewährleisten, ist eine dreifache Belegung geplant: Die Toten werden in drei verschiedenen Tiefen übereinander zur Ruhe gebettet. Der erste Leichnam wird in 2 Metern Tiefe bestattet, sodass nach 20 Jahren in einer Tiefe von 1,75 Meter ein zweiter Leichnam und nach weiteren 20 Jahren in 1,50 Metern ein dritter Leichnam beerdigt werden kann. Die Muslime seien einverstanden damit, bestätigt Yusuf Sabadia, Präsident Viokl: «Wir haben nie eine ewige Grabesruhe verlangt. Auch in islamischen Ländern und grösseren Städten gibt es aus Platzgründen zunehmend Mehrfachbestattungen auf dem gleichen Gräberfeld. Damit haben wir keine Probleme.» Es sei vielen Muslimen in der Region Luzern wichtig, sich hier bestatten zu lassen, wo auch ihre Familien lebten und sie sich zu Hause fühlten. Alle Moschee-Vereine hätten den Entwurf gesehen und sich damit einverstanden erklärt.
Gute Gesprächskultur
Die neue Lösung wurde in einer breit abgestützten Arbeitsgruppe und in enger Zusammenarbeit mit der städtischen Integrationsbeauftragten Sibylle Stolz und dem Viokl ausgearbeitet. «Wir hatten mit den muslimischen Vertretern eine absolut gute Gesprächskultur», sagt Thomas Schmid. Auch Sibylle Stolz betont, dass sich der Verein Viokl in den Vorgesprächen als «sehr kompromissbereit» gezeigt habe. Stolz: «Die Einrichtung eines muslimischen Gräberfeldes in Luzern entspricht dem in der Verfassung garantierten Recht auf schickliche Bestattung. Der grössten nicht-christlichen Religionsgemeinschaft wird damit nicht nur im Leben, sondern auch im Tod ein Platz in der Gesellschaft gegeben, was das Zugehörigkeitsgefühl und damit auch die Mitverantwortung für den Lebensraum Luzern stärken kann.» Für Kurt Bieder hat die neue Lage des Gräberfeldes inmitten von christlichen Gräbern und ganz in der Nähe des alten jüdischen Friedhofs auch eine symbolische Bedeutung im Sinne einer guten Integration. Das neue Gräberfeld für die islamischen Glaubensangehörigen soll im Jahr 2007 eröffnet werden.
http://www.20min.ch/news/zentralschweiz/story/21753050 (2. März 2008)
Muslim-Friedhof sorgt für Ärger
Daniela Gigor: Für das neue muslimische Grabfeld im Luzerner Friedental wurde im Januar Erde abgetragen und entsorgt. Auf einer Baustelle. Das entsetzt Politiker und Angehörige von Toten. «Im Januar wurde unsere heilige Erde im Friedental auf rund 1,80 Meter Tiefe abgetragen und mit Lastwagen entsorgt», sagt der Luzerner Musiker Angy Burri (69) empört. Seit dem Tod seiner Frau 2007 besucht er den Friedhof fast täglich.
Zunächst fiel ihm auf, dass das Gebiet des neuen Muslimfriedhofs mit schwarzen Blachen abgedeckt worden war. Dann bemerkte er, dass Arbeiter die Erde darunter abtrugen. Als Burri die Arbeiten zu fotografieren begann, wollte ihm dies ein Angestellter der beauftragten Littauer Firma Lötscher Logistik AG verbieten. Und auf die Frage, was mit der Totenerde nun passiere, habe ihm ein anderer geantwortet, sie komme in eine Baugrube. Später sei der Platz mit frischem Humus, Sand und Kies aufgefüllt worden.
Angy Burri betont, dass es ihm nicht um Glaubensfragen gehe, sondern darum, dass Vorfahren, Freunde und Verwandte in dieser Erde ruhten. «Ich habe mit vielen Leuten auf dem Friedhof gesprochen, die das ganz gewaltig stört», sagt er. Brisant: Noch vor zwei Jahren erklärte die Luzerner Stadtregierung, im Friedental würde keine Erde abgetragen. Den plötzlichen Sinneswandel erklärt Baudirektor Kurt Bieder jetzt mit technischen Gründen: Der Boden sei schlecht und feucht gewesen. Den Muslimen sei keine unbefleckte Erde versprochen worden.
Angy Burri zeigt auf das muslimische Grabfeld, wo Erde abgetragen wurde. (Bild: gsa) SVP ist sauer auf Stadtrat
Im November 2006 reichte SVP-Grossstadtrat Urs Wollenmann eine Interpellation zum muslimischen Grabfeld ein. «Wir wollten unter anderem wissen, ob auf dem Grabfeld ein Erdaustausch stattfinde», sagt Wollenmann. In der Antwort vom März 2007 schreibt der Stadtrat: «Die Aussage von Herrn Theiler (der Leiter des Friedhofs) stimmt, dass auf dem Grabfeld für Muslime kein Erdaustausch stattfindet.» Urs Wollenmann zeigte sich entrüstet, als er gestern von 20 Minuten über die getätigten Erdabtragungen informiert wurde: «Wir haben uns gegenüber den Muslimen tolerant gezeigt. Doch wir wurden vom Stadtrat einmal mehr hinters Licht geführt.» Hätte die SVP von dem Erdaustausch gewusst, so Wollenmann, hätte sie «bestimmt das Referendum ergriffen». (Daniela Gigor)
13 000 Muslime im Kanton
Rund 13 000 Muslime leben im Kanton Luzern. Ihre verstorbenen Angehörigen liessen sie bisher mehrheitlich zurück in die Heimat schaffen, wo sie nach muslimischer Sitte für immer beigesetzt wurden – in ein Grabtuch gewickelt und nach Mekka ausgerichtet. Im Friedental sollen dagegen Särge verwendet werden. Und statt ewiger Grabesruhe soll es Mehrfachbestattungen geben.
Auf die Stadtratsersatzwahlen ausgerichteter, SVP-anbiedender Artikel in der Neue Luzerner Zeitung vom 29. April 2012
2008 erstellte die Stadt Luzern auf dem Friedental-Friedhof ein muslimisches Grabfeld. Doch kaum jemand nutzt es.
Viel Platz und viel Geld – bislang für nichts: Auf dem 2008 erstellten Muslimen-Grabfeld beim Friedhof Friedental in Luzern herrscht bis auf zehn Gräber noch immer die grosse Leere.
Niemand war dagegen, nur die SVP sträubte sich, als die Stadt vor rund 3 1/2 Jahren beschloss, auf dem städtischen Friedental-Friedhof ein muslimisches Grabfeld zu erstellen. Das Angebot entspreche dem Bedürfnis von Muslimen, die in der Stadt leben, hielten Behörden und muslimische Interessenvertreter damals fest. Denn: Wie es in der Religion Brauch ist, müssen muslimische Gräber nach Mekka ausgerichtet sein – und aus diesem Grund ist es nicht möglich, diese in den «normalen» Friedhof einzureihen. Kostenpunkt für den Muslimenfriedhof: 200 000 Fr. «Das ist rausge-schmissenes Geld», sagte der damalige SVP-Grossstadtrat Y.Holenweger 2009, als das Grabfeld schon fertiggestellt war.
Wer heute durch den Friedental-Friedhof spaziert, dürfte sich zumindest wundern: Denn das Muslimen-Grabfeld ist auch dreieinhalb Jahre nach seiner Erstellung noch so gut wie leer. Gerade mal sieben Erwachsene und drei Kinder wurden bislang beigesetzt. «Es ist tatsächlich so, dass das Angebot im Moment kaum genutzt wird», bestätigt Cornel Suter, Leiter Friedhof der Stadt Luzern. Pascal Imbach
01.05.2012 15:34 Von: ref.ch News/kipa
Luzern: Muslimisches Grabfeld noch wenig genutzt
Das 2008 erstellte muslimische Grabfeld auf dem Friedental-Friedhof in Luzern wird erst wenig genutzt. Derzeit sind sieben Erwachsene und drei Kinder dort beigesetzt. Laut dem Planungsbericht der Stadt Luzern von 2008 rechnete man mit 11 bis 16 Bestattungen pro Jahr.
Muslime, die heute sterben, seien in den meisten Fällen ältere Leute und diese seien oftmals noch sehr eng mit ihrer Heimat verbunden, berichtete die Zeitung «Zentralschweiz am Sonntag» am 29. April. Dies erklärte auch Bruno Bekowies vom Bestattungsamt in Zürich auf Anfrage der Presseagentur Kipa: «Ältere Muslime lassen sich nach ihrem Tod meist in die Heimat rückführen.»
Künftig werde aber die Zahl der muslimischen Bestattungen auf den beiden muslimischen Gräberfeldern des Friedhofs Witikon ZH zunehmen. «Die zweite Generation von Muslimen wird auch nach dem Tod bleiben», so Bekowies. Aktuell seien auf den 2003 errichteten Gräberfeldern 57 Kinder und 70 Erwachsene bestattet. 2011 seien 20 muslimische Personen bestattet worden. Man rechne mit 20 bis 30 muslimischen Bestattungen pro Jahr aus dem Einzugsgebiet der Stadt Zürich.
Das 200‘000 Franken teure muslimische Grabfeld im Friedental-Friedhof dagegen sei 2009 vom damaligen SVP-Grossstadtrat Yves Holenweger kritisiert worden, berichtete die Zeitung. Der zuständige Leiter für den Friedhof der Stadt Luzern, Cornel Suter, ist überzeugt, dass das muslimische Grabfeld seine Berechtigung noch erhalten werde: «Von rausgeschmissenem Geld zu sprechen, wäre falsch. Die Stadt hat hier eine langfristige Investition getätigt», sagte er gegenüber der Zeitung.